Abd el Kerim mit
Ulrich Schulz in
Nicaragua (März/April 2017) Abd el Kerim hat
mir gute Dienste geleistet. Ich war mit dem schönen, schlichten und
scharfen
Messer in Bergregenwäldern Nicaraguas. Dort habe ich damit meine
Rucksackverpflegung
geschnitten. Aber das Messer war auch für andere Dinge praktisch. Auf
dem großen
Foto sieht man, dass ich damit zum Beispiel mein Tonaufnahmegerät
(rechts unten
an der Brettwurzel) gesichert habe, damit die Hände für andere Dinge
frei sind.
Hier halte ich ein hochempfindliches Richtmikrophon mit Windkorb. Ich
habe damit Vogelstimmen aufgenommen. Denn in der
Ornithologie läuft nicht nur die Arterkennung über Lautäußerungen,
sondern auch
in der Systematik bzw. bei dem Klären von Verwandtschaftsverhältnissen
spielt
die Bioakustik eine zunehmende Rolle. Als ich das Foto mit
Selbstauslöser
gemacht habe, war die Sonne längst aufgegangen und ich hatte es endlich
geschafft,
den berühmten Quetzalvogel bei einem Schauflug akustisch aufzunehmen.
Der
Quetzal ist eine der Charakterarten für Bergregenwälder Zentralamerikas
und
eine Flaggschiff-Art für den dortigen Naturschutz. Der Quetzal baut
seine
Bruthöhlen in verrottete Baumstümpfe und dafür muss das Holz weich
genug sein.
Mit Abd el Kerim habe ich getestet, wie morsch das Holz potentieller
Brutbäume
war. Nebelwälder weisen eine hohe Luftfeuchtigkeit auf und wachsen in
höheren Berglagen
(meist ab ca 1200 Meter NN). Manchmal muss man ganz schön lange
Strecken zu Fuß
in die abgelegenen Bergregionen hochgehen und dementsprechend sollte
die Ausrüstung
einen autark machen. Abd el Kerim und mein Sitzrucksack mit der
Verpflegung waren
dafür genau richtig. Ein „anderes Messer“ war ein Höhenmesser und ich
notierte
jeweils die ungefähre Lage. Auf dem Foto z.B. war ich auf 1427 m Höhe
NN am
Cerro Bravo im nördlichen Nicaragua. Ich war um 4 Uhr morgens von einer
tiefer
gelegenen Kaffeefarm aufgebrochen und in der Dunkelheit mit Stirnlampe
hochgestiefelt
– begleitet von dem Lärm mehrerer Brüllaffen. Als ich in der
Morgendämmerung
die Aufnahmen gemacht habe, waren die Affen zum Glück ausnahmsweise mal
still.
An meiner Mütze erkennt man, dass es dort recht kalt ist. Zu kalt für
den Anbau
von Kaffee. Ansonsten würde es einige Bergregenwälder nicht mehr geben.
Sie sind
stärker bedroht als Tieflandregenwälder. In Nicaragua werden sie auch
gerodet,
um Platz für Kartoffelanbau oder Weiden zu schaffen. Man muss aber
nicht
unbedingt ein schlechtes Gewissen haben, wenn man Kaffee aus
Mittelamerika
trinkt. Denn viele Farmer lassen den Nebelwald oberhalb ihrer
Kaffeeflächen
bewusst stehen. Als Schutzgebiet für Wasser und Biodiversität oder um
ihn für
den Ökotourismus zu nutzen. Außerdem gibt es zunehmend Kaffeefarmen mit
nachhaltigen Anbaumethoden. Dort lässt man zum Beispiel viele
Schattenbäume
über den Kaffeesträuchern stehen. Die werden zum Teil sogar als
Fruchtbäume
oder Brutbäume vom Quetzal genutzt. Bio- und Fairtrade-Kaffee kann also
Vogelarten schützen. In Guatemala werden Nebelwälder nicht nur durch
Kaffeeanbau, sondern auch zusätzlich durch Mais verdrängt. Den müssen
Maya-Keckchi-Indigenas
noch in hohen Berglagen anbauen, damit sie ihre Familien ernähren
können. Bei
meinen früheren Arbeiten in guatemaltekischen Nebelwäldern hatte ich
Abd el
Kerim noch nicht dabei. Doch dort gab es „andere Araber“. Denn manchmal
kamen
arabische Händler in die Berge, um den Indigenas den Samen von dort
wachsendem Kardamom
abzukaufen. Dieses Gewürz machen sich vor allem arabische Kunden gerne
in den
Kaffee. Zumindest bezüglich der Namensherkunft schließt sich hiermit
ein Kreis
zum Messer Abd el Kerim. Denn auch wenn ich mich wahrlich nicht mit dem
echten
Abd el Kerim (Heinrich Barth) auf eine Stufe stellen will, so sind wir
beide
doch begeisterte Forscher in fremden Gefilden – mit Bezügen zu Berlin.
Mein
Dank gilt dem echten Berliner und forschenden Messerschmied Stefan
Kühne für
diese wunderschöne, wirksame und weitgereiste Leihgabe!
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